Montag, 8. Dezember 2014

„Homosexualität ist nicht normal.“

Das Beispiel Hans-Jürgen Irmer in der Diskussion um Bildungspolitik


von Daniel Myga

 
Hans-Jürgen Irmer, ehemaliger Lehrer und heute schulpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Hessen, sorgt mit seiner antiquierten Sichtweise auf Homosexualität für Furore und legt damit den Grundstein für Zustände, die jüngst an Baden-Württemberg und die dortige Diskussion um den Bildungsplan der rot-grünen Landesregierung erinnern lassen könnten.

Foto: dpa 
Hans-Jürgen Irmer macht aus seiner politischen Einstellung, die in Zeiten der Merkel-CDU selbst Unionswähler zu schockieren weiß, kein Geheimnis. Seine politische Sozialisation brachte Irmer beispielsweise zur Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen, die für ihre Verwobenheit mit NPD-Kadern Schlagzeilen machte und zu einer Meinungsäußerung in der neu-rechten Wochenzeitung Junge Freiheit. Aufgrund der starken Rechtslastigkeit Irmers kündigte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Zusammenarbeit mit ihm und verfasste eine 44-Seitige Broschüre über die politische Strategie Irmers und seiner Zielscheiben, zu denen unter anderem Frauen, Asylbewerber, Sinti und Roma, sowie Homosexuelle zählen. Der Jargon, dem sich der ehemalige Lehrer dabei für gewöhnlich bedient, ruft Erinnerungen an die dunkelsten Stunden der Zeitgeschichte auf. Im Wetzlar-Kurier, dessen Herausgeber Irmer ist, wurde schon 1999 mit den Worten „man muß also nur noch schwul sein, dies erklären und schon kann man nicht mehr abgeschoben werden“, gegen einen „homosexuellen Ausländer“ gehetzt.

Für einen neuen Eklat sorgten Irmers Aussagen gegenüber der Frankfurter Neuen Presse am 20.10.2014 als er behauptete „Homosexualität ist nicht normal. Wäre sie es, hätte der Herrgott das mit der Fortpflanzung anders geregelt“. Mit diesem scharfen (Vor)Urteil reiht sich Hans-Jürgen Irmer sicher in die Tradition der hessischen CDU ein, deren starkes rechtsnationales Lager seit Jahren für unglaubliche und pauschalisierende Aussagen bekannt ist. Roland Koch, ehemaliger Ministerpräsident Hessens, forderte härtere Strafen gegen kriminelle und explizit ausländische Jugendliche und schnellere Ausweisung. Für diese Parolen stand Koch  auch innerhalb seiner eigenen Partei in der Kritik, was jedoch nicht verhinderte, den Wahlkampf trotzdem mit ressentimentgeladenen Aussagen zu führen. Es war darüber hinaus auch genau die CDU-Mehrheit unter Roland Koch im hessischen Landtag, welche zum Wintersemester 07/08 allgemeine Studiengebühren einführte und damit eine Welle der Bildungsstreik-Proteste ausgelöst hat. Koch unterstützte außerdem die kontrovers diskutierte Forderung der ehemaligen hessischen Kultusministerin Karin Wolff, die biblische Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht zu behandeln.

Hans-Jürgen Irmers Ausbruch ist nicht mit dem ausgehandelten Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung Hessens vereinbar, hatten sich beide Fraktionen doch dafür entschieden sich für die Diversität sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität einzusetzen. Die Unterstellung der hessischen Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei Janine Wissler, ihm werde Narrenfreiheit gewährt, scheint nicht weit hergeholt. Selbst nach dem Abbruch der Zusammenarbeit mit der GEW und der Bitte der hessischen Landesschülervertretung, einen neuen Gesprächspartner zu stellen, verbreitet Irmer sein heterosexistisches Weltbild und sitzt seit seiner Wiederwahl im Februar 2014 immer noch in der Position des schulpolitischen Sprechers. Es kann von Glück gesprochen werden, dass Herr Irmer keine Deutungshoheit darüber hat, was als natürlich oder unnatürlich verstanden werden kann. Trotzdem ist Hans-Jürgen Irmer nicht einfach damit abgeschrieben, indem er zum Außenstehenden seiner Fraktion gemacht wird, der sich dem Kurs der Sensibilität gegenüber sexueller Vielfalt zu beugen hat. Mit Personen wie Hans-Jürgen Irmer werden die hessischen Grünen um den Landesvorsitzenden Kai Klose im Kampf um die Bildungsreform verlieren. Klose engagiert sich für die Verankerung der Themen Homosexualität und geschlechtliche Identität im Schulunterricht, um damit der Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern entgegenzuwirken. Hans-Jürgen Irmers These dazu lautete schon 2004, dass Homosexualität veränderbar sei und in Hessen nicht genug getan werde, damit Homosexuelle diese Neigung überwinden.

Weshalb Irmer immer noch schulpolitischer Sprecher der hessischen Landtagsfraktion der CDU ist, lässt sich vermutlich nur von dieser beantworten. Die jahrelange und systematische Hetze gegen jede Abweichung seiner imaginierten Norm schreckt die Fraktion offensichtlich nicht vor ihm ab, möglicherweise um den rechtsnationalen, für die CDU wichtigen Flügel der Partei nicht zu verärgern. Angesichts der jüngsten Geschehnisse in Baden-Württemberg, als heftige, von homophoben Parolen gezeichnete Proteste ausgelöst wurden nachdem ein neuer Bildungsplan der dortigen grün-roten Landesregierung vorgelegt wurde, welcher ebenfalls eine starke Betonung auf sexuelle Vielfalt setzte, wollte sich die Grüne Landtagsfraktion in Hessen dem Thema eher behutsam nähern. Für Hans-Jürgen Irmer geht das offensichtlich trotzdem zu schnell, dieser befasst sich nämlich lieber mit dem Schüren von Hass auf Homosexuelle, der sich in Zeiten einer erfolgreich polarisierenden AfD sicherlich einigen Befürwortern erfreuen darf. Es scheint unklar in welche Richtung sich der gesellschaftliche Konsens bewegen wird, mitunter aus diesem Grund möchten die hessischen Grünen deshalb den Startschuss für die Bildungsreform setzen.

Doch bei aller gutgemeinten Intention der grünen Landtagsfraktion, die Zusammenarbeit mit Personen wie Hans-Jürgen Irmer wird für dauerhafte Probleme sorgen. Abgeordnete wie Irmer geben dem konservativ bis reaktionären Mob auf der Straße die Bestätigung und damit den Boden dafür, dass sich eine Perspektive für den Protest gegen sexuelle Diversität ergibt. Es ist ein waghalsiger Versuch, mit einer derart rechtsgerichteten CDU wie der hessischen für Toleranz und Vielfalt zu werben. Es muss sich erst noch zeigen ob dieser Versuch Früchte trägt.

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