Das Beispiel Hans-Jürgen Irmer in der Diskussion um Bildungspolitik
von Daniel Myga
Hans-Jürgen
Irmer, ehemaliger Lehrer und heute schulpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion
in Hessen, sorgt mit seiner antiquierten Sichtweise auf Homosexualität für
Furore und legt damit den Grundstein für Zustände, die jüngst an
Baden-Württemberg und die dortige Diskussion um den Bildungsplan der rot-grünen
Landesregierung erinnern lassen könnten.
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Foto: dpa |
Für einen neuen Eklat
sorgten Irmers Aussagen gegenüber der Frankfurter Neuen Presse am 20.10.2014
als er behauptete „Homosexualität ist nicht normal. Wäre sie es, hätte der
Herrgott das mit der Fortpflanzung anders geregelt“. Mit diesem scharfen (Vor)Urteil
reiht sich Hans-Jürgen Irmer sicher in die Tradition der hessischen CDU ein,
deren starkes rechtsnationales Lager seit Jahren für unglaubliche und
pauschalisierende Aussagen bekannt ist. Roland Koch, ehemaliger
Ministerpräsident Hessens, forderte härtere Strafen gegen kriminelle und
explizit ausländische Jugendliche und schnellere Ausweisung. Für diese Parolen
stand Koch auch innerhalb seiner eigenen
Partei in der Kritik, was jedoch nicht verhinderte, den Wahlkampf trotzdem mit ressentimentgeladenen
Aussagen zu führen. Es war darüber hinaus auch genau die CDU-Mehrheit unter
Roland Koch im hessischen Landtag, welche zum Wintersemester 07/08 allgemeine
Studiengebühren einführte und damit eine Welle der Bildungsstreik-Proteste
ausgelöst hat. Koch unterstützte außerdem die kontrovers diskutierte Forderung der
ehemaligen hessischen Kultusministerin Karin Wolff, die biblische
Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht zu behandeln.
Hans-Jürgen Irmers Ausbruch
ist nicht mit dem ausgehandelten Koalitionsvertrag der schwarz-grünen
Landesregierung Hessens vereinbar, hatten sich beide Fraktionen doch dafür
entschieden sich für die Diversität sexueller Orientierung und geschlechtlicher
Identität einzusetzen. Die Unterstellung der hessischen Fraktionsvorsitzenden
der Linkspartei Janine Wissler, ihm werde Narrenfreiheit gewährt, scheint nicht
weit hergeholt. Selbst nach dem Abbruch der Zusammenarbeit mit der GEW und der
Bitte der hessischen Landesschülervertretung, einen neuen Gesprächspartner zu
stellen, verbreitet Irmer sein heterosexistisches Weltbild und sitzt seit
seiner Wiederwahl im Februar 2014 immer noch in der Position des
schulpolitischen Sprechers. Es kann von Glück gesprochen werden, dass Herr
Irmer keine Deutungshoheit darüber hat, was als natürlich oder unnatürlich
verstanden werden kann. Trotzdem ist Hans-Jürgen Irmer nicht einfach damit
abgeschrieben, indem er zum Außenstehenden seiner Fraktion gemacht wird, der
sich dem Kurs der Sensibilität gegenüber sexueller Vielfalt zu beugen hat. Mit
Personen wie Hans-Jürgen Irmer werden die hessischen Grünen um den
Landesvorsitzenden Kai Klose im Kampf um die Bildungsreform verlieren. Klose
engagiert sich für die Verankerung der Themen Homosexualität und geschlechtliche
Identität im Schulunterricht, um damit der Diskriminierung von Schülerinnen und
Schülern entgegenzuwirken. Hans-Jürgen Irmers These dazu lautete schon 2004,
dass Homosexualität veränderbar sei und in Hessen nicht genug getan werde,
damit Homosexuelle diese Neigung überwinden.
Weshalb Irmer immer noch
schulpolitischer Sprecher der hessischen Landtagsfraktion der CDU ist, lässt
sich vermutlich nur von dieser beantworten. Die jahrelange und systematische
Hetze gegen jede Abweichung seiner imaginierten Norm schreckt die Fraktion
offensichtlich nicht vor ihm ab, möglicherweise um den rechtsnationalen, für
die CDU wichtigen Flügel der Partei nicht zu verärgern. Angesichts der jüngsten
Geschehnisse in Baden-Württemberg, als heftige, von homophoben Parolen gezeichnete
Proteste ausgelöst wurden nachdem ein neuer Bildungsplan der dortigen grün-roten Landesregierung vorgelegt wurde, welcher ebenfalls eine starke
Betonung auf sexuelle Vielfalt setzte, wollte sich die Grüne Landtagsfraktion
in Hessen dem Thema eher behutsam nähern. Für Hans-Jürgen Irmer geht das
offensichtlich trotzdem zu schnell, dieser befasst sich nämlich lieber mit dem
Schüren von Hass auf Homosexuelle, der sich in Zeiten einer erfolgreich polarisierenden AfD
sicherlich einigen Befürwortern erfreuen darf. Es scheint unklar in welche
Richtung sich der gesellschaftliche Konsens bewegen wird, mitunter aus diesem
Grund möchten die hessischen Grünen deshalb den Startschuss für die
Bildungsreform setzen.
Doch bei aller gutgemeinten
Intention der grünen Landtagsfraktion, die Zusammenarbeit mit Personen wie
Hans-Jürgen Irmer wird für dauerhafte Probleme sorgen. Abgeordnete wie Irmer
geben dem konservativ bis reaktionären Mob auf der Straße die Bestätigung und
damit den Boden dafür, dass sich eine Perspektive für den Protest gegen
sexuelle Diversität ergibt. Es ist ein waghalsiger Versuch, mit einer derart
rechtsgerichteten CDU wie der hessischen für Toleranz und Vielfalt zu werben.
Es muss sich erst noch zeigen ob dieser Versuch Früchte trägt.
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